Sonntag, 6. Dezember 2009

Wer ist die Schönste?

Spieglein, Spieglein an der Wand,

Wer ist die Schönste im ganzen Land?

Fragte die Hexe im Herzen schwer.

Sag mirs - die Frage beschäftigt mich sehr.


Well - spricht das Spiegelein - laß mal doch seh’n,

Kann überblicken ich sämtlich Gesche`n.

Schön bist du wahrlich – durch Hexenkraft,

Fremd ist dir aber die lichtere Macht.

Ziehst Herzen anderer magisch an,

Um sie dann später zu brechen, im Wahn,

Dass du berechtigt bist zu solchem Walten

In deinem Erdensein, und zu gestalten

Alles nach deinem fragwürdigen Willen,

Herzlos im Denken, treulos im Fühlen.


Selbst deines Gatten redliches Wirken

Achtest du nicht, und in allen Bezirken

Hast dich mit hörigen Typen umgeben,

Nennst sie „die Freunde“, und das alles „Leben“.


Klagst über Kälte und seelische Hölle.

Wisse – es kommt aus der eigenen Quelle

Falscher Gedanken, der Sinneslust,

Die du stets hegst in dem Herzen, der Brust.

Hat dich dein schamlos-frivoles Spiel

Letztlich getrieben in dieses Gewühl.


Sinke hinab in Verzweiflung und Pein!

Finsternis wird dir Begleiterin sein,

Und in den Qualen, denen niemand entwich,

Wird schließlich ausgelöscht dein liebes Ich.


Schön bist du wirklich, es gibt jedoch Eine -

Deren Schönheit ist größer und lichter als deine,

Von Güte und Anmut umhüllt und umweht,

Weil sie reinlich und treu in dem Lichtdienste steht.

Und weil sie sich dauernd mit Edlem schmückt,

Wird Seele und Herz nur erfreut und entzückt.


So hör, böses Weib, ich bedauere sehr:

Sie ist die Schönste und du nicht (mehr).